#69 »Der Kirschgarten« – langsam entschwindende heile Welt

Das Gut mit dem rieseigen Kirschgarten ist bankrott. Trotzdem gibt die Gutsbesitzerin Ranjewskaja das Geld mit vollen Händen aus und überhört die Bitten des Kaufmanns Lopachin, sich doch gemeinsam eine Lösung zu überlegen, um den Besitz zu retten. Den Garten abholzen und das Grundstück parzellieren, um Sommerhäuser für die Städter drauf zu bauen, lautet sein Vorschlag. Das stößt bei der Ranjewskaja auf taube Ohren, die gemeinsam mit ihrer Gutgesellschaft weiter auf dem Vulkan tanzt – immer kurz vorm Absturz. In seinem letzten Schauspiel »Der Kirschgarten« beschreibt Anton Tschechow voller Leichtigkeit und Ironie und mit einem guten Gespür für groteske Situationen und Charaktere eine Gesellschaft im Übergang, in der die Protagonisten des Alten nicht wahrhaben wollen, dass ihre Zeit abgelaufen ist, und einfach so weitermachen wie zuvor. Die neuen Helden und Glücksritter haben aber auch keine wirklichen Antworten, sie holzen den Garten ab und machen den Grund und Boden zu Geld oder sie schwadronieren vom besseren Menschen, ohne ihr eigenes Leben in den Griff zu kriegen. Podcasterin Katja Schlonski hat sich mit Regisseur Axel Vornam, dem das Stück im Laufe der der Arbeit immer mehr ans Herz gewachsen ist, unterhalten. Von heute aus betrachtet, wirkt das 120 Jahre alte Stück wie der Seismograph einer Zeit, die der unseren gar nicht so unähnlich war.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert